• Nördliche Breite: 47.948205
  • Östliche Länge: 11.119044
  • Dr. Christoph Sening
  • 01.05.2025
  • Die vergessene Meisterleistung: Wie die Augustiner Chorherren in Dießen den Ammersee gegen ungesteuerte Verlandung schützten.

Die Augustiner Chorherren des Klosters Dießen, das im 12. Jahrhundert gegründet wurde, spielten eine bedeutende Rolle in der Region. Graf Heinrich von Wolfratshausen schenkte ihnen im Jahre1157 u.a. sein ganzes Besitztum im Markt Dießen, umfangreichen Waldbesitz bis zum Peißenberg, Fischereirechte im Ammersee, sowie die Jagd auf Biber und Otter in der Ammer und in der Rott. [1], [2]. [3]
Sie waren nicht nur geistliche Führer, sondern auch technisch aktiv und engagierten sich in der Infrastrukturentwicklung, um auch ihre wirtschaftlichen Interessen zu verwirklichen. Zur besseren Versorgung des Klosters mit Trink-, Lösch- und Brauchwasser veränderten sie zum Beispiel den Lauf der Dießener Bäche [4].
An einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt begannen sie auch den Lauf der Ammer zu steuern. Diese mündete damals in eine große Bucht, noch größer als der heutige Fischener Winkel und etwa 1km nördlich der Brücke der Straße von Dießen nach Fischen gelegen. Heute ist diese Bucht weitgehend verlandet. 
Als die Ammer dort ansetzte ein Delta zu bilden, handelten die Augustiner Chorherrn zum Schutz vor einer unkontrollierten Mündungsentwicklung und begannen flussbaulich die Verlandung der Bucht zu bekämpfen. Sie wollten verhindern, dass der Markt Dießen vom See abgeschnitten wird; gleichzeitig sollten die Nutzungsrechte des Klosters an der Ammer an Wert gewinnen, die bis zur Pähler Brücke reichten.


Historische Karte um 1910. Es fällt auf, dass der alte gewundene Lauf der Ammer vor ihrer Korrektur ab dem Jahre 1920 etwa 600 m südlich der Brücke der Staatstraße 2056 Dießen-Fischen  plötzlich die Richtung wechselt, weil eine Deltamündung der Ammer oberhalb der Brücke trocken fiel. Das ist heute noch im Gelände zu sehen in Form einer flachen uhrglasartigen Geländeerhöhung, wenn man die Feldstraße neben dem linken Ammerdamm nach Süden bis zur heutigen Restwasserüberleitung in die alte Ammer geht, und in einer Geländestufe nordwestlich davon;  auch sind frühere Flussschleifen südlich der alten Ammer sichtbar.


Um die Mündung der Ammer in die gewünschte Richtung zu lenken, schlugen sie Holzpfähle aus dem umfangreichen Waldbesitz des Klosters in den flachen Teil des Mündungsbereichs. Die Pfahlreihen wurden dabei so ausgerichtet, dass sie die angestrebte Mündungsrichtung klar vorgaben. Anschließend warfen sie Faschinenbündel – bestehend aus frischem Ufergehölz und Treibholz der Ammer – zwischen die Pfähle, um die Struktur zu stabilisieren und die Strömung gezielt zu beeinflussen.
Durch die Ablagerung von Sedimenten in und hinter dem Strauchwerk entstand eine strömungsberuhigte Zone, die als künftiger Uferbereich diente. Sie verfestigte sich langfristig durch Bewuchs aus den Faschinen. Peter Ernst, der frühere Vorstand der Fischereigenossenschaft Ammersee, erzählte davon. In seiner Familie wurde offenbar das flussbauliche Wissen der Klosterleute über Generationen hinweg weitergetragen. 
Allerdings hatten die Klosterbauleute ein Problem. Die Ammer wurde durch diese Bauweise zwar immer länger, aber nicht tiefer, so dass sich ein langfristig unerwünschter Rückstau nach Süden ergeben musste. Diese Schwierigkeit behoben sie, indem sie das Flussbett sich allmählich durch entsprechenden Einbau der Pfähle verbreitern ließen. Mit der geschilderten Methode wurde der Lauf der Ammer jahrhundertelang in Richtung größerer Seetiefe exakt festgelegt. [5]
Ein Votivbild aus dem Jahr 1745, das einst in der Kirche St. Johann auf Heiligenstätten südlich von Raisting hing, zeigt den alten, von den Klosterleuten geschaffenen Flusslauf sowie die Kirche St. Josef in Dießen Es unterstreicht die Bedeutung der Arbeit an der Ammermündung für die Region.
Der Kanalbau war ein frühes Beispiel für ingenieurtechnische Eingriffe in die Natur, um flussbauliche und wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Die Maßnahme zielte auf eine gesteuerte Mündungsentwicklung, um die Sedimenteinträge in den See in große Seetiefe zu leiten. Allerdings waren diese Bemühungen nicht dauerhaft erfolgreich. Nach der Säkularisierung und der Auflösung des Klosters im frühen 19. Jahrhundert wurde der Kanal nicht weiter gepflegt. Seine Verlandung setzte ein.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Ammer zur Entwässerung des Moores für die Landwirtschaft reguliert. Die Flussmündung wurde nach Osten in den Fischener Winkel verlegt, was diesen stark verlanden ließ. 
Der Kanalbau der Augustiner Chorherren an der Mündung der Ammer in den Ammersee bei Dießen war ein ambitioniertes Projekt, das ihr technisches Verständnis und ihre Weitsicht demonstriert. Auch wenn die Maßnahmen langfristig nicht wirksam waren, bleibt der Kanal ein bedeutendes historisches Zeugnis der engen Verbindung zwischen dem Kloster und der Landschaftsgestalt der Region. 
Der heutige Lauf der „Alten Ammer“ bestehend aus dem langen nacheiszeitlichen gewundenen Teil, der erst seit dem Jahre 2022 eine geringere Restwassermenge von maximal 6 m3 / s aus der Ammer erhält, und ihre kanalartige Mündung der Klosterarbeiter, stellt ein Denkmal sowohl der Natur als auch der Wassergeschichte dar. Durch zu geringen Zufluss aus der Ammer droht es zu verlanden. 
Als Denkmal der Geschichte im Sinne von Art. 141 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Bayern hat er es zu erhalten, mag diese Pflicht bisher auch nicht erkannt worden sein. Deshalb muss der Freistaat Bayern das Wasserwirtschaftsamt Weilheim als dafür zuständige Fachbehörde personell und finanziell so ausstatten, dass es diese Pflicht erfüllen kann. Gegenwärtig ist es dazu mit seinem großen Amtsbereich (im Süden der Lech bis Roßhaupten und das ganze obere Isartal, im Norden die Grenze des Landkreises Weilheim-Schongau) nicht in der Lage, der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Erhaltung der alten Ammer zu genügen. Mit der Bayerischen Verfassung ist das unvereinbar.

[1]  Schweizer, Die Flurnamen des südwestlichen Ammerseegebietes, 1957, S.56 
[2]  Schnurer, Heimatbuch des Marktes Dießen a. Ammersee, Dießen, 1976, S.32. 
[3]  Pankraz und Hiereth, Die Landgerichte Landsberg und Schongau, München: Kommission für bayerische Landesgeschichte, 1971. S.27
[4] Stuckenberger, Die Dießener Bäche- Die Entstehung des Bächesystems, der Umbau durch das Kloster Dießen und die heutige Nutzung, Dießen: Kulturlandschaft Ammersee Lech e.V. , 2017. 
[5] Sening , Verlandungen am Ammersee Südende - Eine Bilderreise in seine Vergangenheit, Dießen: Kulturlandschaft Ammersee Lech e.V., 2024.


Kopie des Dießener Malers Georg Doll eines verschollenen Votivbildes aus dem Jahre 1745, das sich früher in der Kirche St. Johann auf Heiligen Stätten südlich von Raisting befand. Deutlich sind das Ammersee Südende mit der durch das Kloster Dießen aufgeweiteten Mündung der Ammer und die Grieswegbrücke wiedergegeben. Neben dem Ort Dießen sind die Orte Fischen, Pähl, Raisting und St. Georgen oberhalb Dießen sowie die Straße nach Raisting wiedergegeben. Votivbild in Privatbesitz.


Ufer der alten Ammer mit Pfahlresten der Grieswegbrücke in den Hofgarten nördlich des Einlaufs der Rott. Aufnahme 1968 , Foto: C. Sening in Privatbesitz


Alte Ammer-Mündung Mitte der 60-iger Jahre


Kanal der Chorherren in der Grafik als rote Linie dargestellt.